Von Glut und Geschichte zu Merz’ Kanzlerauftritt und Wildbergers Digitalplänen #rp25
Impressionen von der re:publica Teil 1
Auf der Rückfahrt von Berlin nach Frankfurt ist es Zeit, einige Impressionen und Gedanken zur re:publica 2025 im Blog niederzuschreiben, noch sehr unsortiert und auch nicht chronologisch. Ich fange also hinten an, beim Vortrag von Dirk von Gehlen zum Thema Aufmerksamkeit. Viele interessante und nachdenkenswerten Thesen. Eine beschäftigt mich besonders: Wie oft sollten wir die Glut anfachen?
Nicht immer wieder die Glut anfeuern
Was meint Dirk damit: Indem wir uns über die Negativnachrichten, die Spinnereien, sprich die Memes des Trampeltiers und von Herrn Murks, aufregen, darüber in Social Media posten und kommentieren oder darüber bloggen, verschaffen wir diesen Herren und ihren Thesen Reichweite und Aufmerksamkeit. Eigentlich ist es genau nicht das, was wir wollen. Sie sollen für ihre abstrusen Ideen und Aussagen weniger Aufmerksamkeit bekommen. Wir sollten nicht noch die Glut weiter anfachen, um in seinem Bild zu bleiben.
Dirk plädiert deshalb für mehr Bewusstsein im Umgang mit Aufmerksamkeit und empfiehlt, nicht auf jede Provokation reflexhaft zu reagieren, sondern auch mal innezuhalten („Entpörung“). Stimmt, wir sollten frei nach dem HB-Männchen nicht aus Reflex gleich an die Decke gehen (und auch keine Zigarette rauchen), sondern darüber möglichst ruhig nachdenken, wie, in welchem Ton, wann und wo wir auf solche Memes antworten. Doch ich glaube, dass wir manchmal antworten und Flagge zeigen müssen.
Die Problematik historischer Vergleiche
Beim WDR Europa Forum im Rahmen der re:publica war nicht nur der Kanzler da. Auch die von mir sehr geschätzte Historikerin Hedwig Richter war dabei und wurde von Monitor-Moderator Gregor Restle insbesondere angesichts des Erstarkens der rechtsextremen AfD nach historischen Parallelen befragt, sprich es ging um den Vergleich zwischen der Machtergreifung der Nazis in der Weimarer Republik mit all den Ereignissen und unserem heutigen Geschehen.
Hedwig Richter lehnte solche Vergleiche ab. Ich bin da anderer Ansicht, auch weil ich Vergleich anders definiere. Es geht bei einem Vergleich nicht darum, dass bestimmte Dinge genau so eins zu eins in Reihenfolge und Ausmaß wieder geschehen. Es geht vielmehr darum, sich bestimmter Ereignisse und Parallelen bewusst zu sein, um potenziell daraus zu lernen oder zumindest gewarnt zu sein. Auch ein Brüning glaubte einmal, die Nazis inhaltlich stellen zu können. Diesen Satz hören wir auch heute wieder von Politikerinnen und Politikern. Wir sollten uns zumindest der Tatsache bewusst sein, dass „inhaltlich stellen“ von Rechtsextremen schon einmal dramatisch gescheitert ist. Auch damals gab es Versuche, die NDSAP zu verbieten … Wir müssen auf solche Erfahrungen zurückblicken, darüber nachdenken und auch darauf hinweisen. Meiner Ansicht nach ist das sogar unsere Pflicht – nicht nur als Historiker, Vergleich, Vergleich her.
Merz mit klaren Ansagen
Wie erwähnt war auch Kanzler Friedrich Merz beim WDR Europa Forum. Bei ihm ging es um außenpolitische Themen. Die re:publica war rein zufällig der Veranstaltungsort. Mit digitalen Themen hat Merz scheinbar nicht viel am Hut. Auf Stage 5, der Nebenbühne, auf der das WDR Europa Forum stattfand, legte er eine durchaus gute Performance hin und bot den Zuhörenden einige Anknüpfungspunkte. Die Kritik am Vorgehen Israels war deutlich, erstmals so deutlich ausgesprochen von einem deutschen Bundeskanzler. Bei seinen Ausführungen zu den Telefonaten mit dem US-Präsidenten schimmerte einiges zum Kommunikationsstil des Präsidenten durch.
Und auch die Aussagen, dass es keine Reichweitenbeschränkung mehr für Waffen gebe, die Deutschland an die Ukraine liefere, schafften es in die Schlagzeilen. Im geschlossenen Raum des WDR Europa Forums unter gesitteter Moderation der bekannten WDR-Journalisten war es ein Heimspiel für den Kanzler. Auf der großen Bühne, auf Stage 1, hätte er es deutlich schwieriger gehabt.
Wildberger erster Auftritt vor der Netzgemeinde
Auf diese große Bühne wagte sich der neue Minister für Digitalisierung und Staatsmodernisierung Karsten Wildberger. Man merkte, dass dies für ihn ein ungewohntes Publikum war, zu dem er sprach. Seine Rede hätte er so auch beim Bitkom oder auf einer anderen Konferenz halten können. Sein Redenschreiber hatte nur sehr vereinzelt emotionale Anknüpfungspunkte für das digital versierte Publikum der re:public eingearbeitet. Solche Ankerpunkte waren sicher die Stichworte Open Source, Deutschland-Stack und digitale Souveränität.
Wildberger hat sich nach meiner Beobachtung wacker geschlagen, aber nicht wirklich begeistert. Er hat immer wieder in seiner Rede den Diskurs angeboten. Wie er diesen Dialog mit der Netzgemeinde und „jungen Digitalen“ aber praktisch gestalten will, blieb offen. Da hätte nach vier Wochen im Amt durchaus mehr kommen können. Es wurde deutlich: Er ist ein Mann der Wirtschaft, vergleichsweise weit weg von Themen wie Social Media oder gar dem Fediverse. Dazu – und nicht nur zum Thema Digitalwirtschaft – wird er sich noch aufschlagen und Position beziehen müssen.
Nahezu paradox ist es, dass sich angesichts dieses Plädoyers für Europa, offene Standards und digitale Souveränität das Verteidigungsministerium für die „private Cloud der Bundeswehr“ nun Google als Vertragspartner ausgesucht hat. Dies widerspricht diametral den Statements des neuen Digitalministers. Ein solcher Dienst kann eigentlich nicht in diesen Zeiten an einen US-Technologiekonzern gehen.
So weit Teil 1 meiner re:publica 2025-Impressionen. Mehr gibt es dann in Kürze insbesondere zum Thema Fediverse und SaveSocial.
#Aufmerksamkeit #Deutschland #Digitalisierung #Merz #rp25 #Wildberger
Bundeswehr setzt auf Google-Cloud
Für die "private Cloud der Bundeswehr" steht nun ein Vertragspartner fest – sie kommt von Google. Zwei Cloud-Instanzen sollen entstehen.Dirk Knop (heise online)