Fediverse, Mastodon und #SaveSocial – der Kampf um ein demokratisches Netz #rp25
Impressionen von der re:publica Teil 2
Hier nun der zweite Teil meiner re:publica-Impressionen, begonnen im ICE und vollendet daheim im Bett mit einer saftigen Bronchitis. Hier geht es jetzt um Mastodon, das Fediverse und die Initiative #SaveSocial. Wie in Teil 1 der #rp25-Impressionen erwähnt, schien der neue Digitalminister Karsten Wildberger mit Fediverse und einem dezentralen sozialen Netzwerk nicht wirklich etwas anfangen zu können – noch nicht, hoffe ich. Das ist für mich symptomatisch. Das Thema ist weder in den Köpfen von Leuten aus Wirtschaft und Politik, noch in der breiteren Bevölkerung angekommen. Dort weiß man gar nicht, über was die Nerds, die Netzgemeinde oder die sogenannte digitale Zivilgesellschaft sprechen.
Das Fediverse – Thema auf der #rp25
Es wurde auf vielen Events und Workshops der re:public über die Bedeutung des Fediverse, über die Notwendigkeit, benutzerfreundlicher zu werden, über die anmaßende Fedi-Polizei, über die Initiative #SaveSocial und viele andere, meist technische Aspekte diskutiert. Marc-Uwe Kling wurde bejubelt, der zu Beginn eines Panels mit Markus Beckedahl und Franziska Heine von Wikimedia zu #SaveSocial das Känguru humorvoll in drei Episoden für freie soziale Netzwerke und gegen die neuen Technoautokraten auftreten ließ.
Wie bekommen wir interessante Inhalte und Player ins Fediverse?
Doch eine, wenn nicht die wichtigste Frage, wurde bei den meisten Events nur am Rande diskutiert: Wie bekommen wir relevante Player und damit vor allem interessante Inhalte und Player ins Fediverse, damit mehr Leute dorthin gehen? Beispielsweise liegen die Vorschläge von Leonard Dobusch schon lange auf dem Tisch, dass die Öffentlich-Rechtlichen ihre Mediatheken zum Fediverse öffnen sollten, das Fediverse als Konto zu den Mediatheken erlauben und die Kommentarfunktion über das Fediverse ermöglichen sollten.
Immerhin plant das ZDF im Rahmen des internationalen Forschungsprojekts „Public Spaces Incubator“ eine Kooperation mit mehreren öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, um die Mediatheken für den öffentlichen Dialog und perspektivisch auch für das Fediverse zu öffnen. Schauen wir mal, ob und wie schnell das gehen wird – und wer es nutzt, wenn nicht massiv dafür getrommelt wird.
Wer sollte schnellst möglich ins Fediverse?
Die Öffentlich-Rechtlichen im Fediverse wären sicher ein großer Schritt vorwärts. Doch was ist mit Ministerien, Behörden und Verwaltungen? Ulrich Kelber hat in seiner Zeit als Bundesdatenschutzbeauftragter die Mastodon-Instanz Bund.social hochziehen lassen, die von einigen deutschen Behörden und Institutionen genutzt wird, um datenschutzkonforme Kommunikation über soziale Medien zu ermöglichen. Laut Recherche sind 40 Akteure unterdessen auf der Plattform. Ulrich Kelber hat auf dem von Sascha Foerster organisierten SpeakUp eine deutlich höhere Zahl genannt.
Die „großen Ministerien“ und der Kanzler sind aber weiterhin auf X aktiv, publizieren und kommentieren dort sowie auf den anderen kommerziellen Plattformen aus den USA und China, jedoch nicht auf unabhängigen Plattformen. Bisher ist es noch nicht einmal gelungen, die Informationen zumindest parallel beispielsweise auf Mastodon im Fediverse zu veröffentlichen, eine Forderung, die öfters in Vorträgen und Podien der re:publica gestellt wurde.
Den Verantwortlichen in der Politik ist die Thematik offenbar nicht bewusst, und es interessiert sie nicht wirklich. Ihre Presseabteilungen lassen sich von vermeintlich kompetenten Beraterinnen und Beratern bequatschen, dass X weiter als News-Kanal für die Politik wichtig sei. Absoluter Mumpitz und unverantwortlich. Wer auf X weiter veröffentlicht, unterstützt die Plattform eines Rechtsextremen. Ähnliches gilt für die Plattformen von Herrn Zuckerberg.
Meine Wunsch-Tröt des Kanzlers auf Mastodon
Ich würde mir diese Meldung in der Tagesschau wünschen: „Der Kanzler gratulierte auf dem sozialen Netzwerk Mastodon Borussia Mönchengladbach zur deutschen Fußballmeisterschaft.“ Beide Aspekte der Nachricht sind leider sehr unwahrscheinlich, aber die Hoffnung …
Aus meiner Sicht müssen wir bei Politikerinnen und Politikern, auf Bundesebene bis hinunter in die Kommunen, bei Behörden und Verbänden, in der Forschung und an den Universitäten Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit leisten, dass ein von Musk, Zuckerberg und TikTok unabhängiges, dezentrales, maßgeblich von Europa getriebenes soziales Netzwerk zu ihrem aller Vorteil ist. Insbesondere Verlage müssen endlich verstehen, wie wichtig es ist, dass sie eine Plattform nutzen, die ihnen gehört.
Ein deutscher Digitalminister als Verbündeter bei diesem Unterfangen wäre dabei sehr hilfreich. Den müsste man aber erst einmal von einem solch unabhängigen sozialen Netzwerk überzeugen, und er hat sicher zunächst andere Top-Prioritäten und -Aufgaben.
Die Wirtschaft und das Fediverse?
Wenn es auch schwer erscheint, dass gewinnorientierte Wirtschaftsunternehmen interessiert sein könnten: Auch mit Wirtschaftsführerinnen und -führern sollte ausgelotet werden, ob sie an einem nicht durch Werbung, Targeting, Kampagnen und Leadgenerierung orientierten unabhängigen sozialen Netzwerk Interesse haben könnten. Mir fehlt noch die Fantasie, aber Unternehmen, insbesondere auch deren Kommunikationsabteilungen, sollten Mastodon und das Fediverse kennen. Vielleicht und wahrscheinlich ist die Antwort, dass es eben kommerzielle Plattformen gibt, in denen „verkauft“ wird, aber daneben ein unabhängiges, demokratisches, dezentrales Netzwerk, das dem Einfluss der Broligarchen entzogen ist. Ja, all das ist nicht einfach. Und viele Argumentationslinien müssen auch noch durchdacht, entwickelt und überzeugend kommuniziert werden.
Wie aus dem eigenen Saft raus kommen?
Wir, die Fediverse-Verfechterinnen und -Verfechter, müssen auf jeden Fall raus aus dem eigenen Saft, den Hoodie mal zeitweise ablegen, Jackett und Hemd anziehen und mit Politik, Verbänden, Medien und Wirtschaft sprechen, um Überzeugungsarbeit zu leisten. Doch wer will, wer könnte eine solche Rolle annehmen und übernehmen (und davon existieren)? Wo ist beispielsweise eine ausreichend finanzierte europäische Mozilla-Stiftung?
Die Mastodon gGmbH ist gemeinnützig und mit minimalen Mitteln ausgestattet, wie im Gespräch auf der re:publica deutlich wurde. Vor allem liegt ihr Fokus auf der Entwicklung, nicht auf der Verbreitung der Fediverse-Idee. Ja, ein Digitalcourage e.V. leistet wichtige Arbeit und wir müssen dankbar dafür sein. Aber der Verein agiert meiner Wahrnehmung nach doch mehr in unserer Nerd-Blase und nicht darüber hinaus. Save Social ist ein loser Zusammenschluss, eine lobenswerte Initiative, nicht mehr und nicht weniger.
Es ist schwierig, aber ich glaube, dass es organisch aus der Netzgemeinde alleine nicht funktionieren wird, das Fediverse als mehr als nur eine nette Idee und Nischenanwendung zu etablieren. Genau jetzt wäre der richtige Zeitpunkt, aber dazu bräuchte es zum wirklichen Kickoff die erwähnten Öffentlich-Rechtlichen, Verwaltung, Ministerien, Forschung und Lehre.
Es gibt mehr offene Fragen als Antworten, und die Zeit drängt angesichts dessen, was Zuckerberg, Musk und auch Google durch die Integration von KI und mit ihren feuchten Träumen von den Super-Apps vorhaben. Ein Austausch einmal im Jahr auf der re:publica wird nicht genügen, um erste relevante Gegengewichte zu BigTech zu etablieren. Jetzt muss aus meiner Sicht unabdingbar sein, damit das Fediverse eine wichtigere Rolle in Deutschland und Europa (und vielleicht sogar darüber hinaus) spielt.
Nachtrag lokale Grassroot-Bewegung
Noch eine abschließende Bemerkung: Dass es gut wäre, neben den größeren Playern eine regionale und lokale Grassroot-Bewegung zu haben, ist unbestritten. Das wurde jedoch insbesondere auf dem SpeakUp von Sascha Foerster diskutiert. Das ist aber eben auch technisch schwierig. Universitäten – wie die Uni Innsbruck, die durch Melanie Bartos vertreten war – sind noch die Institutionen, die IT-Ressourcen haben und am ehesten eigene Instanzen betreiben und bei den Studierenden ein Bewusstsein schaffen könnten.
Weiter „unten“, in Schulen und Kommunen wird es dann viel schwieriger. Leider. Wie schafft man es, nebenan.de oder die lokale Ortsteilgruppe auf Facebook ins Fediverse zu holen? Oder wie ich es hier formuliert habe: Wie kriegen wir Sandra und Frank und „die Jungen“ ins Fediverse? Die Frage geht über Mastodon und das Fediverse hinaus: Wie schafft man es, dass die Eltern in der Schulklasse oder der Tennisverein nicht mehr über WhatsApp und stattdessen über Signal und das Fediverse kommunizieren? Mit solchen Fragen kämpfe nicht nur ich. Und oft gibt es keine Lösungen, die akzeptiert werden oder die technisch das Notwendige bieten.
So weit Teil 2 meiner Impressionen von der re:publica 2025. Wahrscheinlich wird es noch einen dritten Teil geben über „uns alte Boomer“ auf der re:publica, das Bloggertreffen und wer aus meiner Sicht in der Station gefehlt hat. Schauen wir mal, ob die Muse küsst.
* Ich weiß, ich schere über einen Kamm, aber diesmal bewusst.
#Fediverse #Mastodon #rp25 #SaveSocial
🇩🇪
Soziale Netzwerke als demokratische Kraft retten Nina George, Schriftstellerin, Ehrenpräsidentin European Writers’ Council (EWC) Foto: Heike Blenck Rocko Schamoni, Schriftsteller, Regisseur,...Save Social
Von Glut und Geschichte zu Merz’ Kanzlerauftritt und Wildbergers Digitalplänen #rp25
Impressionen von der re:publica Teil 1
Auf der Rückfahrt von Berlin nach Frankfurt ist es Zeit, einige Impressionen und Gedanken zur re:publica 2025 im Blog niederzuschreiben, noch sehr unsortiert und auch nicht chronologisch. Ich fange also hinten an, beim Vortrag von Dirk von Gehlen zum Thema Aufmerksamkeit. Viele interessante und nachdenkenswerten Thesen. Eine beschäftigt mich besonders: Wie oft sollten wir die Glut anfachen?Nicht immer wieder die Glut anfeuern
Was meint Dirk damit: Indem wir uns über die Negativnachrichten, die Spinnereien, sprich die Memes des Trampeltiers und von Herrn Murks, aufregen, darüber in Social Media posten und kommentieren oder darüber bloggen, verschaffen wir diesen Herren und ihren Thesen Reichweite und Aufmerksamkeit. Eigentlich ist es genau nicht das, was wir wollen. Sie sollen für ihre abstrusen Ideen und Aussagen weniger Aufmerksamkeit bekommen. Wir sollten nicht noch die Glut weiter anfachen, um in seinem Bild zu bleiben.Dirk plädiert deshalb für mehr Bewusstsein im Umgang mit Aufmerksamkeit und empfiehlt, nicht auf jede Provokation reflexhaft zu reagieren, sondern auch mal innezuhalten („Entpörung“). Stimmt, wir sollten frei nach dem HB-Männchen nicht aus Reflex gleich an die Decke gehen (und auch keine Zigarette rauchen), sondern darüber möglichst ruhig nachdenken, wie, in welchem Ton, wann und wo wir auf solche Memes antworten. Doch ich glaube, dass wir manchmal antworten und Flagge zeigen müssen.
Die Problematik historischer Vergleiche
Beim WDR Europa Forum im Rahmen der re:publica war nicht nur der Kanzler da. Auch die von mir sehr geschätzte Historikerin Hedwig Richter war dabei und wurde von Monitor-Moderator Gregor Restle insbesondere angesichts des Erstarkens der rechtsextremen AfD nach historischen Parallelen befragt, sprich es ging um den Vergleich zwischen der Machtergreifung der Nazis in der Weimarer Republik mit all den Ereignissen und unserem heutigen Geschehen.Hedwig Richter lehnte solche Vergleiche ab. Ich bin da anderer Ansicht, auch weil ich Vergleich anders definiere. Es geht bei einem Vergleich nicht darum, dass bestimmte Dinge genau so eins zu eins in Reihenfolge und Ausmaß wieder geschehen. Es geht vielmehr darum, sich bestimmter Ereignisse und Parallelen bewusst zu sein, um potenziell daraus zu lernen oder zumindest gewarnt zu sein. Auch ein Brüning glaubte einmal, die Nazis inhaltlich stellen zu können. Diesen Satz hören wir auch heute wieder von Politikerinnen und Politikern. Wir sollten uns zumindest der Tatsache bewusst sein, dass „inhaltlich stellen“ von Rechtsextremen schon einmal dramatisch gescheitert ist. Auch damals gab es Versuche, die NDSAP zu verbieten … Wir müssen auf solche Erfahrungen zurückblicken, darüber nachdenken und auch darauf hinweisen. Meiner Ansicht nach ist das sogar unsere Pflicht – nicht nur als Historiker, Vergleich, Vergleich her.
Merz mit klaren Ansagen
Wie erwähnt war auch Kanzler Friedrich Merz beim WDR Europa Forum. Bei ihm ging es um außenpolitische Themen. Die re:publica war rein zufällig der Veranstaltungsort. Mit digitalen Themen hat Merz scheinbar nicht viel am Hut. Auf Stage 5, der Nebenbühne, auf der das WDR Europa Forum stattfand, legte er eine durchaus gute Performance hin und bot den Zuhörenden einige Anknüpfungspunkte. Die Kritik am Vorgehen Israels war deutlich, erstmals so deutlich ausgesprochen von einem deutschen Bundeskanzler. Bei seinen Ausführungen zu den Telefonaten mit dem US-Präsidenten schimmerte einiges zum Kommunikationsstil des Präsidenten durch.Und auch die Aussagen, dass es keine Reichweitenbeschränkung mehr für Waffen gebe, die Deutschland an die Ukraine liefere, schafften es in die Schlagzeilen. Im geschlossenen Raum des WDR Europa Forums unter gesitteter Moderation der bekannten WDR-Journalisten war es ein Heimspiel für den Kanzler. Auf der großen Bühne, auf Stage 1, hätte er es deutlich schwieriger gehabt.
Wildberger erster Auftritt vor der Netzgemeinde
Auf diese große Bühne wagte sich der neue Minister für Digitalisierung und Staatsmodernisierung Karsten Wildberger. Man merkte, dass dies für ihn ein ungewohntes Publikum war, zu dem er sprach. Seine Rede hätte er so auch beim Bitkom oder auf einer anderen Konferenz halten können. Sein Redenschreiber hatte nur sehr vereinzelt emotionale Anknüpfungspunkte für das digital versierte Publikum der re:public eingearbeitet. Solche Ankerpunkte waren sicher die Stichworte Open Source, Deutschland-Stack und digitale Souveränität.Wildberger hat sich nach meiner Beobachtung wacker geschlagen, aber nicht wirklich begeistert. Er hat immer wieder in seiner Rede den Diskurs angeboten. Wie er diesen Dialog mit der Netzgemeinde und „jungen Digitalen“ aber praktisch gestalten will, blieb offen. Da hätte nach vier Wochen im Amt durchaus mehr kommen können. Es wurde deutlich: Er ist ein Mann der Wirtschaft, vergleichsweise weit weg von Themen wie Social Media oder gar dem Fediverse. Dazu – und nicht nur zum Thema Digitalwirtschaft – wird er sich noch aufschlagen und Position beziehen müssen.
Nahezu paradox ist es, dass sich angesichts dieses Plädoyers für Europa, offene Standards und digitale Souveränität das Verteidigungsministerium für die „private Cloud der Bundeswehr“ nun Google als Vertragspartner ausgesucht hat. Dies widerspricht diametral den Statements des neuen Digitalministers. Ein solcher Dienst kann eigentlich nicht in diesen Zeiten an einen US-Technologiekonzern gehen.
So weit Teil 1 meiner re:publica 2025-Impressionen. Mehr gibt es dann in Kürze insbesondere zum Thema Fediverse und SaveSocial.
#Aufmerksamkeit #Deutschland #Digitalisierung #Merz #rp25 #Wildberger
Bundeswehr setzt auf Google-Cloud
Für die "private Cloud der Bundeswehr" steht nun ein Vertragspartner fest – sie kommt von Google. Zwei Cloud-Instanzen sollen entstehen.Dirk Knop (heise online)